Die Biberfamilie und ihr Revier

 

Die Biberfamilie mit ihrem Revier, wie man den Gewässerabschnitt nennt, den sie bewohnt und gegen fremde Artgenossen verteidigt, stellt die soziale Grundeinheit einer Biberpopulation dar.

Die Familie besteht typischerweise aus drei Altersgruppen:  Den Eltern, den einjährigen und den diesjährigen Jungen. Die halbwüchsigen Zweijährigen verlassen normalerweise nach dem Winter die Familie und gehen auf Wanderschaft, um sich einen Geschlechtspartner und einen freien Gewässerabschnitt zu suchen und sich dort niederzulassen.

Innerhalb der Familie gibt es sehr enge Kontakte. Die älteren Familienmitglieder kümmern liebevoll um die jüngeren. Man sucht engen Kontakt. Außerhalb der Burg gibt es bei jedem Aufeinandertreffen eine zärtliche Nasenberührung mit einem leisen Erkennungslaut. In der Burg rückt man zusammen. Eng aneinandergeschmiegt wird der Tag schlafend im Wohnkessel verbracht. Die gegenseitige Fellpflege, ähnlich den Affen, ist ein regelmäßiger und sehr wichtiger sozialer Bestandteil des Biberlebens.

Ein Biberpaar lebt ein Leben lang in Monogamie. Erst wenn ein Partner stirbt, sucht sich der zurückbleibende einen neuen Lebensgefährten. Haben sie sich erstmals niedergelassen sind sie, vor allem wenn sie Junge und eine Familie haben, sehr reviertreu.  Bei Hochwasser etwa oder bei Nahrungsmangel kann es sein, dass sie das Revier aufgeben.

Reviergröße und Territorialität

                        Markierungshügel
Markierungshügel

Wie groß ist ein Revier? Die Reviergröße richtet sich vor allem nach  dem Nahrungsangebot, aber auch nach der Gewässerform. Stehende Gewässer werden unabhängig von ihrer Größe nur von jeweils einer Familie bewohnt, außer an großen Seen, bei denen einzelne Buchten Platz für ein eigenes Biberrevier bieten. An Gewässern mit optimalen Nahrungsbedingungen sind die Reviere relativ klein so ungefähr zwischen 0,5 bis 1 km bei einer Fliesgewässerstrecke. Mit schlechter werdender Qualität nimmt die Reviergröße zu, da kann das Revier bis zu 6 km lang sein. Unter zunehmenden Populationsdruck kann sich die Reviergröße vermindern. Der damit einhergehende Dichtestress bewirkt dann einen geringeren oder keinen Nahwuchs.

Die genutzte Reviergröße ändert sich aber auch mit der Jahreszeit. Im Winter ist die genutzte Reviergröße gegenüber dem Sommer deutlich kleiner. Der Grund liegt in jahreszeitlich unterschiedlichen Strategien des Nahrungserwerbs.

Biber sind äußerst territoriale Tiere, die ihr Revier aggressiv gegen fremde Artgenossen verteidigen. Dieses Verteidigen des Reviers  dient dazu, sich und seiner Familie langfristig Nahrungs- und Lebensgrundlage zu sichern. Um anzuzeigen ob das Revier besetzt ist, wird das ganze Jahr über von beiden Geschlechtern markiert. Sie scharren dazu Erde, Pflanzen oder auch nur Schnee zu einem „Markierungshügel“ zusammen und setzen Bibergeil (wissenschaftlich Castoreum) darauf ab. Neben Bibergeil setzen sie auch das Sekret der Analdrüsen zur Markierung ein. Das Bibergeil ist eine flüssig-gelbliche Substanz, die Biber in einem Drüsenpaar (Präputialdrüse) im Bereich der Kloake produzieren.

Fremde Biber, die die Markierungen nicht respektieren, werden attackiert.

Biberalltag

Biber in der Nacht beim Fressen (Bildautor Kaltenegger)
Biber in der Nacht beim Fressen (Bildautor Kaltenegger)

Der Biber ist nachtaktiv. Tagsüber schläft er. Mit der Abenddämmerung verlässt er meist den Bau. In besonders ungestörten Revieren,  kann man ihn im Sommer auch schon früher beobachten. Die erste Hälfte der Nacht außerhalb seines Baus verbringt der Biber mit Nahrungsbeschaffung und -aufnahme. Dazu benötigt er im Sommer mindestens sechs Stunden. Im Winter dagegen ist er gar nur sechs Stunden wach und schläft mindestens 18 Stunden.

Um Mitternacht legt er meist für 2 Stunden eine Ruhepause im Bau ein. Die zweite Hälfte der Nacht verbringt er mit Ausbesserungsarbeiten an Bauen und Dämmen. All seine Aktivitäten werden immer wieder von Phasen der Körper- und Fellpflege unterbrochen. Spätestens am Morgen ziehen sich die Biber wieder in ihren Bau zurück, wo sie sich dann, nach einem letzten gemeinsamen sozialen Pflegeakt, dicht aneinander schlafen legen.

Ausbreitung

Erste Biberspuren
Erste Biberspuren

Die Ausbreitung der Biberpopulation erfolgt über abwandernde Jungbiber. Sie erfolgt im Gegensatz zu den meisten anderen Nagern sehr langsam. Haben den Jungbiber den zweiten Winter überlebt, verlassen sie das heimische Revier und gehen im Frühjahr auf Wanderschaft. Zu dieser Jahreszeit führen die Gewässer normalerweise reichlich Wasser. Dies erleichtert die Fortbewegung vor allem in kleineren Bächen. Sie können aber auch neue Wohngewässer über Land erreichen. Ziel ist ein geeigneter Gewässerabschnitt mit reichlich Nahrung, der noch nicht von Bibern besetzt ist, um ein eigenes Revier zu gründen. Diese Ansiedelung kann weitab vom elterlichen Revier erfolgen. Der Grund für weite Wanderwege dürfte darin liegen, dass die Biber zuerst die geeignetsten Reviere auswählen und so auch in dünn besiedelten Gewässersysteme kommen, wo es sehr schwierig ist, einen Partner zu finden. Mit der Suche nach einem Partner verlängert sich der Wanderweg wiederum. Durch den enormen Wandertrieb entstehen so genannte Satellitenvorkommen, Bibervorkommen die weit entfernt vom nächsten Vorkommen entstehen. So kann es schon vorkommen, dass einige bis 50 km weit wandern. Bei der Bevölkerung vor Ort bildet sich dann oft die irrige Meinung, der Biber wäre ausgesetzt worden. Die Lücken zwischen diesen Satellitenrevieren werden dann erst im Laufe der Zeit durch weitere Reviergründungen geschlossen. Die meisten abwandernden Biber entfernen sich jedoch nicht so weit von ihren Ursprung. Die durchschnittlichen Entfernungen natürlich abwandernder Jungbiber lagen in verschiedenen Untersuchungsgebieten zwischen 3 und 11 km.

Populationsregulation

 

Auch wenn beim  erwachsenen Biber die natürlichen Feinde fehlen, die die Biberpopulation regulieren, wächst sie nicht unendlich. Es greifen andere Mechanismen. Die Populationsgröße richtet sich vor allem danach, wie viel geeigneter Lebensraum zur Verfügung steht. Bei Erreichen der Lebensraumkapazität kommt es zu einer erhöhten Sterblichkeit von wandernden Bibern. Dies ist eine Folge des Reviersystems. Da die Biber entlang der Gewässer wandern, passiert es immer wieder, dass sie durch besetzte Reviere müssen. Wenn sich die jungen Biber aber nicht durch die Markierungen abschrecken lassen, kommt es häufig zu schweren Beißereien. Die Bissverletzungen an sich führen normalerweise nicht zum Tode. Die Wunden infizieren sich jedoch wovon sich der Biber in der Regel nicht mehr erholt. Je mehr Biberreviere vorhanden sind, desto höher die Populationsdichte ist, desto mehr besetzte Reviere müssen die Jungbiber bei ihrer Suche nach einem freien Platz durchqueren. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit in einen Kampf verwickelt und dabei verletzt zu werden erheblich.

Weitere Regulationsfaktoren stellt der mit der Besiedlungsdichte zunehmende Innerartlicher Stress dar, der eine höhere Sterblichkeit und eine geringere Nachwuchsrate mit sich bringt. Bei hoher Populationsdichte werden auftretende Krankheiten schneller und leichter übertragen. Dies führt zu einer zusätzlichen Schwächung der Tiere. Eine Biberpopulation kann also aufgrund dieser Innerartlicher Regulationsmechanismen nicht unbegrenzt wachsen, auch nicht in optimalen Lebensräumen. Eine externe Regulation durch Bejagung ist für eine Begrenzung der Biberpopulation somit nicht nötig. 

Literatur ZAHNER, SCHMIDBAUER, SCHWAB (2005): Die Rückkehr der Burgherren; Kunstverlag Oberpfalz