Entstehung der Perlen

Im Mittelalter glaubte man, die Perlen der Flussperlmuschel entstünden, indem die Muscheln in der Nacht auf die an das Gewässer angrenzenden Wiesen wandern um dort den Tau zu trinken, wovon sie dann schwanger würden. Erst Mitte des 19.Jahrhunderts erkannte man, dass die Perlen aus der selben Substanz aufgebaut sind wie die Schale. Heute ist die Perlbildung histologisch gut erforscht und wird bei marinen Perlaustern auch gezielt induziert: Dringt ein Fremdkörper zwischen Mantel und Schale in die Muschel ein, so wird er von Schalenmaterial umschlossen. Dabei können so genannte Schalenperlen entstehen, die wie Auswucherungen der Schaleninnenseite (Hypostracum) aussehen, oder, wenn der Fremdkörper mitsamt Mantelepithel in das Bindegewebe der Muschel wandert, die begehrten Schmuckperlen. Die Perlbildung kann auch durch eine Verletzung des Mantelgewebes ausgelöst werden. Wie das Wachstum der Muschel so erfolgt auch die Perlbildung sehr langsam, eine Perle von etwa 4 mm Durchmesser hat eine Entwicklungszeit von 20 - 25 Jahren hinter sich. Außerdem enthält nur etwa jede 3000ste Muschel eine brauchbare Perle.

Nutzung der Flussperlmuschel und ihrer Perlen

Bereits in der Antike hatte die Flussperlmuschel eine große wirtschaftliche und politische Bedeutung. So führte angeblich Julius Cäsar den Krieg gegen die Briten im Jahre 55 v. Chr. hauptsächlich wegen der reichen Perlvorkommen in den Gewässern Großbritanniens. Im deutschsprachigen Raum ist die Nutzung der Perlen ab dem 15.Jahrhundert urkundlich dokumentiert. Bis ins 18.Jahrhundert war die Perlfischerei dem Adel und dem Klerus vorbehalten, die speziell ausgebildete Perlfischer beauftragten, welche die Muscheln mit Zangen öffneten, ohne sie zu töten. Illegalen Perlfischern drohte man mit drakonischen Strafen wie dem Abhacken der Hände, die aufgrund des verbreiteten Analphabetismus auf Tafeln, die entlang der Bäche angebracht wurden, bildlich dargestellt waren. So mancher „Perlenwilderer" endetet zu dieser Zeit am Galgen. Im 19.Jahrhundert wurden die strengen Perlrechte gelockert und alle Bevölkerungsschichten wollten am Reichtum in den heimischen Bächen teilhaben. Vom „gemeinen Volk" wurden die Muscheln allerdings nicht gerade mit Sorgfalt behandelt, sondern einfach in der Mitte durchgeschnitten oder in die Sonne gelegt bis sie starben und sich die Schalen öffneten.

Es wurden aber keineswegs nur die Perlen der Muscheln genutzt. So wurden die Schalen zu Schmuck, Knöpfen und ähnlichem verarbeitet. Heute findet man im östlichen Waldviertel in der Nähe von Hardegg die letzte österreichische Perlmuttdrechslerei. Im Gegensatz zur Blütezeit dieser Industrie bezieht sie die Ausgangsstoffe für die Herstellung von Perlmuttknöpfen heute nicht mehr aus der Thaya, sondern aus Australien und Indonesien.

Im Mühlviertel werden Leerschalen heute noch manchmal zum Abschaben der Borsten geschlachteter Schweine verwendet. Belegt ist auch, dass Flussperlmuscheln in Notzeiten als Futter für Schweine und Enten gesammelt wurden. Angeblich landeten sie während der Napoleanischen Kriege auch auf den Tellern der durch Bayern und Tschechien marschierenden französischen Soldaten, was von der ortsansässigen Bevölkerung teilweise kopiert wurde.

Wie vielen anderen Tieren sprach man im Mittelalter auch der Flussperlmuschel eine mystische Heilkraft zu. Nach Ansicht der damals praktizierenden Ärzte sollen zerstoßene Perlen und andere Teile der Muschel Epilepsie, Schlaganfälle, Melancholie und sogar die Pest heilen können.

hauptsächlich verwendete Literatur

 

BAER 1995

 

GUMPINGER et al. 2002